Es hat immer wieder Verwunderung hervorgerufen. Nachfragen wurden gestellt. Ich bin mit meiner Familie im Mai/Juni 2024 mit unserem Elektroauto von Stuttgart nach Albanien gefahren. Geht das? Kann man da laden? Das ist mein Erfahrungsbericht.
Kosten
Wir sind 4.300 km gefahren und haben 309,50 Euro inkl. MwSt. für Strom bezahlt. Ist das günstiger oder teurer als mit einem Verbrenner? Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 6 Litern auf 100 km und einem durchschnittlichen Preis für Diesel von 1,60 Euro/l (Spritpreise in Albanien sind ähnlich hoch wie in Deutschland) hätte man 412,80 Euro bezahlt. Das sind 33% mehr. Ach ja, in Albanien kostet die kWh Strom ca. 10 Cent. Vielleicht ist das der Grund, warum ich kein Taxi mit Verbrennungsmotor gesehen habe.
Energiebedarf
Für die 4.300 km haben wir 639 kWh Strom benötigt. Das entspricht zum einen 14,9 kWh auf 100 km (ein Lob auf unseren Kia eNiro mit 450 km Reichweite) und zum anderen 63 Litern Diesel. Bei einem Verbrauch von 6l/100km hätte man 258 Liter Diesel benötigt. Das ist viermal so viel. Klar, der Wirkungsgrad eines Verbrenners liegt bei ca. 20 Prozent, der eines Elektromotors inkl. Ladeverlusten bei ca. 80 Prozent.
Wie geht das mit dem Laden
In Deutschland, Österreich, Slowenien und Kroatien kann man an den Raststätten der Autobahnen an öffentlichen Schnellladesäulen laden. In Slowenien und Kroatien ist die Ladeleistung häufig auf 50 kW begrenzt. In Albanien gibt es – wie in fast jedem Land – auch überall Strom. Bei Online-Buchungsplattformen kann man nach Hotels mit Ladeeinrichtung filtern. Auch gibt es mehrere private Lademöglichkeiten. Darunter sind auch Schnelllademöglichkeiten. Wir haben meist an Campingplätzen und in Hotels geladen.
Während des Urlaubs ist mir aufgefallen, dass alle Taxis, die ich gesehen habe, Elektroautos waren. Sie waren alle von demselben Hersteller. Da es kaum öffentliche Ladesäulen gibt (und die werden nicht für Elektroautos freigehalten) habe ich mich immer wieder gefragt, wo die laden. Das Rätsel konnte ich erst nach unserer Rückkehr lösen. Die sollen die App Plug share nutzen. Hätten wir das früher gewusst, wäre es mit dem Laden vermutlich deutlich einfacher gewesen.
Über Plug share hätten wir auch in Bosnien Herzegowina und in Montenegro laden können. Da Montenegro ein vergleichsweise kleines Land ist, sind wir dort durchgefahren ohne zu laden. In Bosnien-Herzegowina haben wir einmal über Nacht im Hotel geladen. Dank meiner mobilen Wallbox konnte ich auch immer vorzeigen, wie viele kWh wir geladen haben und den getankten Strom entsprechend bezahlen.
CO2-Emissionen
Die Fahrt mit dem Elektroauto hat 125 kg CO2 emittiert. Wären wir mit dem Zug von Stuttgart nach Memmingen gefahren, von dort nach Tirana geflogen und hätten uns in Albanien einen Mietwagen mit Verbrennungsmotor genommen, hätten wir 1.822 kg CO2 emittiert. Mit anderen Worten, wir könnten diese Reise etwa 15 Mal mit dem Elektroauto machen, um dieselbe Menge CO2 zu emittieren. Je klimafreundlicher der Strom hergestellt wird, desto höher fällt die Zahl aus.
Was könnte besser werden
Die Preise sind sehr undurchsichtig. Mit deutschen Ladekarten und Apps hätte der Ladestrom z. B. in Kroatien bis zu 99 Cent/kWh gekostet. Beim lokalen Anbieter haben wir nur 40 Cent/kWh bezahlt. Dazu musste ich jedoch die entsprechende App herunterladen, meine Kontaktdaten eingeben und meine Bankdaten hinterlegen, um Laden zu können. Dieser Vorgang hat ca. 15 Min. gedauert. Am längsten habe ich gebraucht, herauszufinden, dass ich zwischendrin auf meine Banking-App gehen und die Bezahlung freigeben muss (wie bei einer Überweisung). Das wäre für meine Frau zu viel Zeitaufwand und zu viel Frustrationspotenzial gewesen. Ich war motiviert, weil ich herausfinden wollte, wie es geht.
Deutlich einfacher wäre es, wenn man mit Kreditkarte bezahlen könnte und nur den PIN eingeben müsste. So fordert es auch die neue Ladesäulenverordnung. Das finde ich grundsätzlich gut. Die Umsetzung muss jedoch so erfolgen, dass die Ladepunkte nicht aufgrund defekter Kartenterminals ausfallen. Bei direkter Sonneneinstrahlung auf die Kartenterminals mache ich mir da etwas Sorgen. Mit der Plug & Charge-Funktion, die neuere Autos haben, kann es auch einfacher in der Handhabung werden.
Darüber hinaus sollte der Preis für den Strom so leicht erkennbar sein, wie an einer Tankstelle für Benzin auf einer Raststätte. Eine gut lesbare Anzeige/Schild, auf der der Preis steht und das von Weitem lesbar ist.
Bei der neuen Ausschreibung für die Ladeinfrastruktur für LKWs auf Autobahnen in Deutschland wird vorgegeben, dass der Betreiber der Ladeeinrichtung nur eine Benutzungsgebühr für die Ladeinfrastruktur verlangen darf. Es sollte geprüft werden, ob und wenn ja wie sich das auf die CCS-Ladepunkte übertragen lässt.
Habe ich mir Sorgen um mein Elektroauto gemacht
Einmal war ich in der Tat verunsichert. In einem Bergdorf in Albanien war die Stromversorgung schlecht. Jedes Hotel hatte daher ein Notstromaggregat. Einmal habe ich auf meiner mobilen Wallbox gesehen, dass mein Auto mit weniger als 150 Volt Spannung lädt. Da war ich unsicher, ob das Auto Schaden nimmt, wenn keine 220 Volt anliegen. Vor ein paar Wochen sagte mir ein Freund, der bei einem Automobilhersteller Elektroautos entwickelt, dass das Auto damit umgehen könne. In den USA würde grundsätzlich mit 110 Volt geladen.
Und ein anderer Freund, der bei einem Netzbetreiber arbeitet, wusste sofort, warum die Spannung so niedrig war. Wer weiß es auch? Das Niederspannungskabel sei zu lang (zu viel Widerstand), der Transformator zu weit weg.
Lustigstes Erlebnis
In Skodra (Albanien) am Campingplatz hat ein Deutscher seinen Plug-In Hybrid aufgeladen. Der sagte: „Ich brauch unbedingt nochmal Strom, weil ich total Angst davor habe, dass die Albaner Wasser in den Sprit reinmischen.“ Im Internet findet man in der Tat Berichte, dass die Albaner das tatsächlich tun, vermutlich weil der Sprit im Vergleich zum Einkommen so teuer ist.
Würde ich die Reise nochmal mit dem Elektroauto machen
Auf jeden Fall. Und auch Albanien ist einen zweiten Besuch wert.